Die Erfolgsgeheimnisse der großen Franchisesysteme

Kapitalbedingte Erfolgsfaktoren

Ein weiterer naheliegender – wiederum eher banal erscheinender – Erfolgsfaktor sind die Menge des im Franchisegeber-Unternehmen eingesetzten Kapitals und die vorhandene Liquidität. Die Prinzipien des Kapitalismus lassen sich nämlich auch mittels Franchising nicht überlisten. So banal, wie sie auf den ersten Blick erscheint, ist diese Erkenntnis für die Praxis freilich nicht. Denn den vielen hundert erfolglosen Franchisegebern in Deutschland und Österreich ist eines gemeinsam: Sie waren im Grunde von Anfang an hoffnungslos unterkapitalisiert und leiden kontinuierlich unter Liquiditätsproblemen. Franchising scheint auf der Franchisegeberseite bedauerlicherweise auch solche Unternehmer anzuziehen, die von vorherein nicht die notwendigen finanziellen Mittel hatten, um erfolgreich ein Franchisesystem aufzubauen. Dies ist dadurch bedingt, dass man angesichts der Hebelwirkung von Franchisesystemen schnell dem Irrglauben anheimfallen kann, man könne bereits die erste Liquidität aus dem entstandenen Franchisesystem nutzen, um dessen weiteren Aufbau zu finanzieren. Das ist, von einigen wenigen Ausnahmen „magnetischer Franchisekonzepte“ einmal abgesehen, noch nie gelungen; die Wahrscheinlichkeit tendiert gegen Null. Der Finanzaufwand, ein erfolgreiches Franchisegeber-Unternehmen aufzubauen, ist hingegen beträchtlich; ebenso wie der Aufbau jedes Unternehmens. Gelegentlich werden hierfür in der Fachliteratur absolute Zahlen genannt; diese Zahlen bewegen sich von einem niedrigen sechsstelligen Betrag aufwärts bis zu einer Million Euro. Es darf bezweifelt werden, ob derart pauschale Zahlenangaben in allen Fällen zutreffend sind; zu unterschiedlich sind Franchisekonzepte und Expansionsziele. Vermutlich dient die Nennung von hohen Zahlen der Abschreckung – mit Berechtigung: Die unterkapitalisierten und dadurch „systematisch erfolglosen“ Franchisegeber laufen Gefahr, den Ruf der Franchisewirtschaft zu beeinträchtigen. Da ist es vielleicht besser, dass das eine oder andere System erst gar nicht ins Leben gerufen wird. Die genannte Bandbreite ist gleichwohl im Regelfall zutreffend: Mehrere hundert tausend Euro Kapital wird man in den ersten Jahren schon investieren müssen, um ein Franchisegeber-Unternehmen zum Erfolg zu führen. Das bezeichnet die Investition ab dem Moment, in dem die Expansion beginnen kann: Ab dem Moment der Vervielfältigung. Hinzu kommt die Investition in mindestens einen Pilotbetrieb. Dauerhaft sollten es mehrere sein, worauf der Verfasser unten noch zu sprechen kommen wird.

Bei dieser Gelegenheit ist Folgendes anzumerken: Franchisegeber-Unternehmen und Pilotbetrieb müssen organisatorisch und wirtschaftlich – nicht zwingend rechtlich – getrennt werden. Denn derjenige Teil des Franchisegeber-Unternehmens, der sich beispielsweise mit Marktforschung, Produktentwicklung, Controlling, Bau und Architektur, Standortentwicklung sowie mit der gesamten marktabgewandten Seite (Supply-Chain-Management) befasst, soll schließlich nicht vervielfältigt werden. Denn das ist die Systemzentrale. Deshalb haben diese Teile des Organigramms des Franchisegebers nichts mit demjenigen Unternehmen zu tun, das Gegenstand der Vervielfältigung mittels Franchising ist. Zugleich dürfen die Kosten für diese Unternehmensaufgaben den Ertrag des Pilotbetriebes nicht verfälschen, ebenso wenig, wie die Betriebskosten des Pilotbetriebes in den Systemzentralen-Unternehmensteil verschoben werden dürfen. Querfinanzierungen verbieten sich. Das klingt banal und ist trotz Banalität in der Praxis eine wiederkehrende Ursache für Fehler: Die Zahlenwerke der Pilotbetriebe, die im Rahmen der vorvertraglichen Informationserteilung von Bedeutung sind, könnten später als nicht aussagekräftig angesehen werden. Pilotbetriebe müssen unter „Franchisenehmer-Bedingungen“ geführt werden. Dem Franchisegeber würde andernfalls im Fall des Scheiterns von Franchisenehmern die Haftung für deren Verluste drohen, wenn er die Zahlenwerke unkommentiert zur vorvertraglichen Informationserteilung eingesetzt hat. Ein banaler und zugleich typischer Fehler.

Der Kapitalaufwand, der mit dem Aufbau eines Franchisesystems einhergeht, ist deshalb so hoch, weil die Systemzentrale bereits in der Anfangsphase gewisse personelle Ressourcen benötigt. Es genügt nicht, alle Kräfte in die Anwerbung von Franchisenehmern zu stecken. Vielmehr muss der Franchisegeber gerade für die erste Generation der Franchisenehmer in besonderem Maße präsent sein, er muss sie unterstützen und mit besonderem Engagement zum Erfolg begleiten. Denn wenn die erste Generation mangels Engagement des Franchisegebers scheitert, wird es schwierig sein, die zweite Generation erfolgreich anzuwerben. Dabei muss dem Franchisegeber allerdings bewusst sein, dass überobligatorische Leistungen auf Dauer zu Problemen führen werden: Die „ewige Dankbarkeit“ der in dieser Weise geförderten Franchisenehmer ist dem Franchisegeber jedenfalls nicht gewiss; im Gegenteil: Es kann und wird zu Enttäuschungen kommen, wenn später die Leistungsmenge auf das geschuldete Maß zurückgefahren wird. Eine in diesem Punkt von Anfang an klare Kommunikation muss helfen, diese potenziellen Nachteile abzumildern. Denn an der Erkenntnis, dass die erste Generation besonders gefordert und engagiert zum Erfolg begleitet werden muss, führt kein Weg vorbei.

Die unterkapitalisierten Franchisegeber hingegen, die sich kein Personal für wiederholte Beratung vor Ort, Coaching und besondere Unterstützung leisten können, weil sie ihre wenigen Personal- und Sachmittel vollständig in die Expansion leiten, verlieren die erste Generation mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf andere Weise: Diese Franchisenehmer werden nämlich lernen müssen, ohne aktiven Franchisegeber auszukommen; wenn sie qualifiziert sind, werden sie eigene Wege zum unternehmerischen Erfolg finden. Diese „emanzipierten“ Partner lassen sich später häufig nicht mehr einfangen und wirken mit ihrer aus hart erarbeiteter Unabhängigkeit und Wissensführerschaft gespeisten Kritik an dem Franchisegeber ansteckend auf die zweite und dritte Generation. Hier liegt die eigentliche Ursache für „Aufstände“ von erfolgreichen Partnern; die „fehlende Bindungswirkung des Systems“, die hierfür meist als Ursache angeführt wird,  ist nur ein verstärkender Aspekt. Ebenfalls verstärkend wirkt, dass unterkapitalisierte Franchisegeber oft nicht die Zeit haben, das Franchisekonzept im Detail zu entwickeln, ausreichend zu erproben und noch einmal zu verfeinern: Die Wissensführerschaft der „emanzipierten“ ersten Generation der Franchisenehmer ist dann nicht allein durch mangelhafte Anfangsbetreuung bedingt. Unzureichendes Betriebsführungs-Know-how des Franchisegebers ist ein Garant für das Scheitern des Systems. Es ist nie entschuldbar. Wer als Franchisegeber im Grunde selbst nicht weiß, wie der Betriebstyp im Detail beschaffen sein und geführt werden sollte, darf sich bitte keine Franchisenehmer suchen.

Mangelnde Liquidität führt nicht nur zu einer mangelhaften Leistungsfähigkeit und zu den deren unmittelbaren und absehbaren Konsequenzen. Franchisegeber, die nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen, sind zusätzlich in besonderem Maße von den Franchisenehmern abhängig: Wer mangels Alternative allein darauf setzen muss, mit der ersten Liquidität aus dem entstandenen System dessen weiteren Aufbau zu finanzieren, kann keine Rückschlage verkraften und die Wahrscheinlichkeit, dass es Rückschlage geben wird, ist – siehe oben – gerade in diesem Fall hoch. Wenn es dann Auseinandersetzungen gibt – und es wird Auseinandersetzungen geben! –, kann sich der Franchisegeber womöglich noch nicht einmal leisten, seine Rechte durchzusetzen. Im Vergleich zu den Franchisenehmern ist er machtlos. Hinzu kommt, dass sich unterkapitalisierte Franchisegeber kein eigenes Filialsystem leisten können und damit die Ursache für weit größere Schwierigkeiten setzen. Davon wird unten noch zu sprechen sein. Finanzschwache Franchisegeber werden dringend gebotene Aufgaben wie Marktforschung, Produkt- und Systementwicklung, Controlling und Supply Chain Management vernachlässigen, sie werden an Glaubwürdigkeit verlieren und ihr Wissensvorsprung wird schrumpfen. Diese Franchisegeber werden nicht einmal in der Lage sein, die Einhaltung der wichtigsten Richtlinien zu überprüfen und erforderlichenfalls durchzusetzen. Diese Versäumnisse werden wiederum zur Folge haben, dass dem Franchisegeber der Aufbau einer starken Marke nicht gelingt – denn wie soll eine einheitliche Aufladung ohne Sicherstellung eines einheitlichen Markenerlebnisses möglich sein? – und damit dauerhaft die Bindungswirkung ausbleibt. Dies ist der Beginn einer weiteren fatalen Rückkoppelung: Fehlende Produkt- und Systementwicklung, fehlende Steuerung und Richtliniendurchsetzung, mangelnde Wissensführerschaft und eine deshalb zur Unbekanntheit verdammte Marke werden das Aufbegehren „aus der Not heraus emanzipierter“ Franchisenehmer begünstigen, was den Franchisegeber zusätzlich schwächt, der sich daraufhin Marktforschung, Produkt- und Systementwicklung, Controlling und ein gutes Supply Chain Management „erst Recht nicht mehr“ leisten kann.

Natürlich gibt es die Möglichkeit, sich als Franchisegeber zusätzliche Finanzquellen zu erschließen, was allerdings beispielsweise wieder ein gutes Supply Chain Management voraussetzt. Und natürlich ist ein Franchisesystem ein Wertsteigerungshebel. Aber wo keine Werte sind, kann man auch keine Werte steigern. Ohne Kapital kann man kein Unternehmen aufbauen, auch keine Systemzentrale. In der Welt des Kapitalismus gibt im Grunde es wenig hinzufügen.