Franchiserecht

Optimales Vertragsmanagement

Hinter dem Ausdruck „Vertragsmanagement“ verbirgt sich die Methode, wie mit den vielen Komplikationen umgegangen werden sollte, die im Zusammenhang mit Franchiseverträgen in der Praxis auftreten. Jeder Franchisegeber kennt die Probleme, die auftreten, wenn Partner-Interessenten Sonderwünsche äußern. Vertragsmanagement hat nichts mit Jura zu tun. Man muss nicht Anwalt sein, um sich mit Vertragsmanagement zu befassen. Die gute Nachricht: Vertragsmanagement ist leicht zu erlernen. Die noch bessere Nachricht: Vertragsmanagement ist vollkommen kostenlos. Wenn man ein paar Grundsätze beherrscht, erleichtert es die tägliche Arbeit um ein Vielfaches.

I. Erstes Prinzip: Individuelle Änderungen am Franchisevertrag gibt es grundsätzlich nicht

Um es vorweg zu nehmen: Es ist verständlich, wenn Existenzgründer nach der Lektüre des Muster-Franchisevertrages viele Fragen und manche Änderungswünsche vorbringen. Franchiseverträge sind für die meisten Menschen keine alltägliche Erscheinung. Die hohe wirtschaftliche Bedeutung (allein wenn die Investitionsverpflichtung des Franchisenehmers betrachtet wird) rechtfertigt auch, dass jeder Interessent einen Berater oder Rechtsanwalt dazu befragt. Dies sollte vom Franchisegeber sogar ausdrücklich erwünscht sein, da die sorgfältige Prüfung durch den Franchisenehmerinteressenten vor Vertragsschluss die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass hinterher auffällt, dass beim Franchisenehmer ein Missverständnis über die Inhalte des Vertrages vorlag.

Wenn ein Franchisegeber in der Entwicklung seines Systems so weit fortgeschritten ist, dass er Änderungswünschen prinzipiell nie mehr nachgeben muss, kommt es auf die nachstehenden Ausführungen natürlich nicht an. Das ist allerdings in der Praxis selten realistisch, selbst größere Systeme lassen geringfügige Änderungen zu; jedenfalls wenn es auf Seiten des Interessenten sachliche und verständliche Gründe dafür gibt. Trotz allem Verständnis für Änderungs- und Sonderwünsche: Manchmal nervt es. Mit dem richtigen Vertragsmanagement können die Nerven allerdings geschont werden. Das Problem der Änderungs- und Sonderwünsche tritt eigentlich in zweifacher Gestalt auf:

Der erste Typus ist der notorische Querulant, der bereits aus eigenem Antrieb nicht einsieht, dass er die Waren bei der Systemzentrale kaufen muss oder parallel kein Wettbewerbsunternehmen errichten darf.

Seine Sonderwünsche erschüttern manchmal sogar die Grundfesten des Franchisevertrages. Wenn der Franchisegeber seinen Anliegen vollständig nachgeben würde, wäre die Zusammenarbeit mit ihm nach Vertragsabschluss kaum noch als „Franchising“ zu bezeichnen. Dagegen hilft auch kein Vertragsmanagement. Wenn ein Interessent aus eigenem Antrieb derart schwerwiegende Änderungswünsche hat, hilft nur noch eines: „nein“ zu sagen. „Nein“ zur Franchisepartnerschaft. Mit einem Partner, der sich schon vor Vertragsunterzeichnung als Nervensäge entpuppt, kann sowieso nicht vernünftig zusammen gearbeitet werden.

Der zweite Typus ist der „Anwaltshörige“. Er äußert seine Änderungswünsche nicht aus eigenem Antrieb, sondern hat seinen Hausanwalt befragt. Der Hausanwalt präsentiert daraufhin eine lange Liste mit Änderungsempfehlungen und Warnhinweisen. Eigentlich rät er damit dem Franchiseinteressenten fast davon ab, den Vertrag zu unterzeichnen.

Hier muss unterschieden werden: Wenn die Warnhinweise zu deutlich und die Liste der Änderungsempfehlungen zu lang ist, kann der Interessent „verdorben“ sein – er kommt möglicherweise nicht mehr als neuer Partner in Betracht. Seine Verunsicherung sitzt zu tief. Wenn die Liste der Änderungsempfehlungen noch passabel ist, lohnt es sich oft zu verhandeln. Im Zuge dieser Verhandlungen kommt jeder Systemzentrale ein professionelles Vertragsmanagement zugute. Vertragsmanagement schafft Übersicht und bewirkt schnelle Verhandlungsergebnisse.

II. Zweites Prinzip: Individuelle Zugeständnisse, Modifikationen und Kompromisse werden immer in einer Zusatzvereinbarung geregelt

In allen Fällen gilt: Individuelle Änderungen am Text des Franchisevertrages gibt es nicht. Wenn die Systemzentrale individuelle Zugeständnisse machen will oder einen Kompromiss regeln möchte, wird dies in einer Zusatzvereinbarung formuliert. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Sobald es in dem System erst einmal mehr als 50 Franchisenehmer gibt, wird es unübersichtlich, falls jeder Franchisevertrag andere individuelle Inhalte hat. Wenn hingegen alle Besonderheiten auf einem gesonderten Blatt, das dem Vertrag beigefügt wird, geregelt sind, genügt ein Blick, um die Sonderregelungen zu finden.

Außerdem ist diese Methode deutlich preiswerter: Eingriffe in den eigentlichen Franchisevertrag wird eine Systemzentrale sehr viel eher ausführlich mit einem Rechtsanwalt abstimmen müssen. Eine Zusatzvereinbarung lässt sich aufgrund ihrer Übersichtlichkeit schnell gestalten.

Beispiel

Zusatzvereinbarung zum XYZ Franchisevertrag

zwischen A-GmbH („Franchisegeber“)

und

Herrn B. („Franchisenehmer“)

Abweichend von den Bestimmungen des anliegenden Franchise-; Vertrages wird noch Folgendes vereinbart:

1.       Ergänzend zu § 6 des Franchisevertrages ist vorgesehen, dass der Franchisenehmer einen zusätzlichen Trainingstag erhält.

2.       Abweichend von § 11 des Franchisevertrags beträgt der Prozentsatz der Franchisegebühr im ersten Vertragsjahr nur 6%.

3.       Entgegen § 14 des Franchisevertrages unterliegt der Franchisenehmer keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.

(Ort, Datum, Unterschriften)

Wichtig ist dabei, dass die Zusatzvereinbarung deutlich als Bestandteil des Franchisevertrages erkennbar ist. Obwohl mittlerweile nicht mehr unbedingt rechtlich notwendig, ist es weiterhin ratsam, die Zusatzvereinbarung fest mit dem Franchisevertrag zu verbinden. Dann kann es keine Probleme geben.

III. Drittes Prinzip; Richtiges Anlagen- und Lückenmanagement

Ein Franchisevertrag, in dem auf eine Anlage verwiesen wird, die nicht existiert, kann unwirksam sein. Das ist ein nennenswertes Risiko. Solche Fälle kommen leider selbst in sehr professionell organisierten Systemzentralen immer wieder vor.

Die erste Gegenstrategie ist, die Anlagen nicht in separaten Dateien zu speichern, sondern unmittelbar als ein Bestandteil des Franchisevertrages anzulegen. Das hilft allerdings nur bei Anlagen, die nicht individuell erstellt werden müssen (beispielsweise kann eine Gebietskarte natürlich nicht standardmäßig vorgesehen werden). Die zweite Gegenstrategie ist die Schaffung einer Checkliste, die den Standardablauf für den Vertragsabschluss abbildet. Bevor der Franchisevertrag unterzeichnet und abgeheftet wird, kontrollieren die Mitarbeiter der Systemzentrale nach fest definierten Abläufen die Vollständigkeit. Das hat auch den Vorteil, dass diese Tätigkeit delegiert werden kann.

Das Problem tritt nicht nur im Zusammenhang mit Anlagen auf. Auch das Offenlassen von „Lücken“ (z. B. Lücke zur Eintragung des Eröffnungsdatums) kann in Extremfällen zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen. Also muss ebenso sorgfältig kontrolliert werden, ob sämtliche Lücken ausgefüllt sind. Auch diese Kontrolle ist deshalb unbedingt Bestandteil der Checkliste.

IV. Viertes Prinzip: Ein Franchisenehmer – ein Ordner

Das „papierlose Büro“ ist eine Illusion für Systemzentralen. Die Vertragsunterlagen müssen im Original (mit Originalunterschriften) verwahrt werden. Das gilt vor allem für die Widerrufsbelehrung, wenn der Franchisevertrag eine solche Anlage erfordert und vorsieht.

Für jeden Franchisenehmer wird ein eigener Ordner angelegt. Dieser Ordner enthält u. a. folgende Dokumente:

  • Kopie der vorvertraglichen Informationsunterlagen, so wie sie dem Franchisenehmer ausgehändigt worden sind.
  • Quittung des Franchisenehmers, dass er die vorvertraglichen Informationsunterlagen ausgehändigt erhalten hat. Es ist klar, dass dies ein Dokument ist, das besonders sorgfältig aufbewahrt werden muss.
  • Franchisevertrag mit normalen Anlagen.
  • Widerrufsbelehrung.
  • Quittung über Widerrufsbelehrung.
  • Zusatzvereinbarung (wenn vorhanden).
  • Sämtliche Korrespondenz mit dem Franchisenehmer, die auf den Franchisevertrag bezogen ist (z. B. Abmahnungen, Kündigungen, Vertragsänderungen).

„Ordnung ist das halbe Leben“ hieß es früher. Dieser Grundsatz ist beim Umgang mit Verträgen zweifellos auch heute noch richtig.

V. Fünftes Prinzip: Fortschreiben sämtlicher Vertragsmuster

Im Laufe der Jahre unterliegen die Vertragsmuster (Geheimhaltungsvereinbarung, Reservierungsvereinbarung, Franchisevertrag, Gebietsentwicklungsvertrag etc.) regulären Änderungen. Diese Änderungen ergeben sich aus einer notwendigen Weiterentwicklung der Muster, also nicht aufgrund von individuellen Wünschen der Vertragspartner. Es ist ratsam, die Muster kontinuierlich zu nummerieren. Dies kann entweder durch den Zusatz eines Datums („Stand tt.mm.jj“) erfolgen oder es können dafür Ziffern („01… 02… 03…“) verwendet werden. Im Laufe der Lebenszeit eines Systems sind verschiedene Mustergenerationen zugleich im Einsatz. Ältere Franchisenehmer haben dann noch frühere Versionen des Franchisevertrages. Mit einem Blick auf die Nummerierung hat der Franchisegeber sofort Klarheit, um welche Mustergeneration es sich handelt und welche Besonderheiten daher zu beachten sind.