Die Erfolgsgeheimnisse der großen Franchisesysteme

Organisationsformen für Werbung und Marketing

In diesem Kapitel ist bereits dargestellt worden, dass der Franchisegeber einen erfolgreichen Markenaufbau mit dem Franchisesystem organisieren kann, wenn es ihm gelingt, unter Einsatz der Franchisenehmer an sämtlichen Standorten ein einheitliches Markenerlebnis zu erzeugen. Der in dieser Weise richtig verstandene Einsatz der Franchisenehmer als lokale Markenbotschafter ist ein viel effizienterer Weg, als eine umfangreiche Investition in flächendeckende Werbung, zumal eine landesweite Streuung von Werbung nur dann Sinn ergibt, wenn das Franchisesystem einigermaßen Flächendeckung erreicht hat. Dabei spielt es für das gemeinsame Verständnis der Systempartner eine entscheidende Rolle, in der gesamten Kommunikation mit den Franchisenehmern – also auch in den Franchiseverträgen – zu verdeutlichen, dass die Franchisenehmer die wichtige Aufgabe haben, die Marke an ihrem Standort bekannt zu machen und durch das Verhalten ihrer Mitarbeiter exakt so aufzuladen, wie der Franchisegeber dies durch die markenaufbauorientierten Richtlinien vorgegeben hat. Dadurch wird, als ein positiver Nebeneffekt, in der Phase gewachsener Betriebsdichte der berüchtigte „Free Ride Effekt“ zurückgedrängt. Der Begriff des Free Ride Effekts beschreibt, dass sich einzelne Franchisenehmer der Versuchung hingeben werden, die Investition in lokale Werbung zu vernachlässigen, weil die Bekanntheit der Marke von den benachbarten Systembetrieben bereits dermaßen befeuert wird, dass sich die Vernachlässigung nicht besonders schädlich auswirkt. Der Franchisegeber sollte deshalb die Markenbotschafteraufgaben zu einer Hauptpflicht des Franchisenehmers erklären und diese mit einem Anreizsystem kombinieren, von dem noch die Rede sein wird.

Der Einsatz der Franchisenehmer als Markenbotschafter bedeutet nicht, dass der Franchisegeber es versäumen darf, von Anfang an ein Organisationssystem für flächendeckende Werbung mit den Franchisenehmern zu vereinbaren. Eine nachträgliche Einführung von kostenträchtigen Pflichten der Franchisenehmer ist nämlich ohnehin immer schwierig; in diesem Bereich wird sie sich als praktisch unmöglich erweisen. Ein richtig gestaltetes Organisationssystem geht von einer Aufgabenteilung aus und weist mittels seiner Geschäftsprozesse den Systempartnern unterschiedliche Aufgaben zu. Die eindeutig dem Franchisegeber zuzuordnenden Aufgaben sind die Markenpolitik und die daran geknüpfte Schaffung und Weiterentwicklung des Marketingkonzepts. Daran führt nicht einmal dann ein Weg vorbei, wenn der Franchisegeber – wovon noch zu sprechen sein wird – eine selbständige Werbeorganisation geschaffen hat. Unter einem Marketingkonzept in diesem Sinne ist nicht das Werbekonzept zu verstehen. Der Begriff des Marketingkonzepts meint die umfassenden Regeln zur Kommunikation und Aufladung der Marke, d. h. vor allem auch die Verhaltensrichtlinien, die von der Belegschaft der Systembetriebe im Umgang mit den Kunden zu beachten sind. Dagegen ist es eindeutig eine dem Franchisenehmer zugewiesene Aufgabe, das Marketingkonzept an seinen Standorten umzusetzen und die Marke dadurch positiv aufzuladen. Die übrigen Aufgaben im Zusammenhang mit Werbung und Marketing können in unterschiedlicher Verteilung dem Franchisegeber, dem Franchisenehmer oder einer systemeigenen selbständigen Werbeorganisation zugewiesen werden. Die genaue Verteilung ist abhängig von dem Gegenstand des Geschäftskonzepts und der daran geknüpften Kommunikationsnotwendigkeiten. Allerdings muss bitte in allen Fällen sichergestellt werden, dass die vereinbarten Geschäftsprozesse nicht auch noch die Verwendung abweichender Werbung begünstigen. Deshalb ist es besser, die Gestaltung und Umsetzung lokaler Werbung des Franchisenehmers nicht nur unter einen Einwilligungsvorbehalt zu stellen, sondern von vornherein eine – von dem Franchisegeber auswechselbare – Systemwerbeagentur festzulegen, bei der der Franchisenehmer seinen gesamten Bedarf an lokaler Werbung befriedigen muss. Wenn die Franchisenehmer dann noch intrinsisch motiviert werden sollen, in lokale Werbung zu investieren, bietet sich die Kombination mit einem Ansparsystem an, von dem unten noch die Rede sein wird.

Eines der Erfolgsgeheimnisse der großen Franchisesysteme ist es in diesem Zusammenhang, überregionale Werbung und überregionales Marketing mittels eines Werbepools oder mittels einer selbständigen Werbeorganisation zu finanzieren. Den beiden Modellen gemeinsam ist, dass die Franchisenehmer die überregionale Werbung durch ihre Beiträge finanzieren und diese Beiträge mit der überregionalen Werbung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (d. h. nicht „Zahlung gegen Werbeleistungen“). Durch das fehlende Gegenseitigkeitsverhältnis wird zuverlässig das gelegentlich bei Franchisenehmern – jedenfalls bei einfältigen Franchisenehmern – auftretende Missverständnis vermieden, dass der Franchisegeber verpflichtet sei, mit den bescheidenen Werbevergütungen von einer Handvoll von Systembetrieben beispielsweise aufwändige Fernsehwerbung zu finanzieren; einmal abgesehen davon, dass Fernsehwerbung keinen Sinn ergäbe, wenn man mit dem System keine annähernde Flächendeckung erreicht hat. Dagegen leuchtet bei einem Werbepool bzw. bei einer selbständigen Werbeorganisation selbst einem oberflächlichen Betrachter intuitiv ein, dass Werbung und Marketing nur in dem Umfang finanziert werden können, wie die Ressourcen reichen. Die erfolgreichen Franchisegeber definieren mit ausreichender Bestimmtheit und lassen sich dabei einen großzügigen Spielraum, wie mit den Ressourcen verfahren werden darf: Die Entwicklung und Durchführung von Werbe- und Marketingkampagnen, von Werbe- und Marketinginstrumenten, von Image- und Kundenwerbung sowie von Presse und Öffentlichkeitsarbeit sollten in jedem Fall zu den Bereichen gehören, die mit dem Werbepool bzw. in der Werbeorganisation finanziert werden. Dringend ratsam ist es – auch dies ist eines der Erfolgsgeheimnisse der großen Systeme –, in dem Franchisevertrag und in der sonstigen Kommunikation deutlich zu machen, dass der Franchisegeber mit den Ressourcen auch die Gehälter von Mitarbeitern bezahlen kann, die diese Leistungen übernehmen; denn warum sollen die Werbe- und Marketingaufgaben nur im Wege des Outsourcing erledigt werden dürfen, vor allem wenn der Einsatz eigener Mitarbeiter kostengünstiger ist? Des Weiteren ist es ratsam zu regeln, dass der Franchisegeber Finanzmittel insoweit nachträglich entnehmen darf, wie er – vor allem in der Anfangsphase, in der noch keine Ressourcen aufgebaut wurden – mit seiner eigenen Liquidität in Vorleistung getreten ist. Wenn vergessen wird, dies vertraglich zu vereinbaren, müssen Juristen später auf Umwegen über das Geschäftsbesorgungs- bzw. Auftragsrecht versuchen, solche Entnahmen des Franchisegebers zu rechtfertigen und mit dessen Interessenwahrungspflicht argumentieren; der Ausgang eines solchen Rechtsstreits wäre bestenfalls ungewiss. Ebenso wichtig ist es, dem Franchisegeber die Entscheidungshoheit über die Finanzmittel zu verschaffen; das gilt auch für die Führung der selbständigen Werbeorganisation. In diese Entscheidungshoheit fällt, dass es in dem Ermessen des Franchisegebers steht, die Finanzmittel über längere Zeiträume anzusparen. Zu der Frage der bilanziellen Behandlung der angesparten Treuhandgelder im Unternehmen des Franchisegebers bzw. in der selbständigen Werbeorganisation, wenn der typische Fall eintritt, dass die Finanzmittel am Ende des Steuerjahres nicht verbraucht sind, hat der Verfasser an anderer Stelle Stellung genommen (vgl. Giesler/Dornbusch, DStR 2008, 1574 ff.). Das Thema lässt sich in der Praxis relativ einfach bewältigen, wenn der Franchisegeber einen – bitte wirklich qualifizierten – Steuerberater einsetzt.

Teilweise wird eingewandt, dass mangelhaft organisierte Franchisegeber mit dem Modell des Werbepools nicht umgehen können; die zu erwartende Unachtsamkeit des Managements führe immer wieder dazu, dass der Franchisegeber die Finanzmittel für sachfremde Zwecke verwende. Tatsächlich sind solche Fälle in der Praxis zu beobachten. Ein „Klassiker“ der Zweckentfremdung ist die Verwendung des Werbepools für die Anwerbung neuer Franchisenehmer, also z. B. für einen Auftritt in der virtuellen Messe auf www.franchiseportal.de). Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass der Franchisegeber damit eine schwerwiegende Pflichtverletzung begeht und sich das Management in der Folge einer Strafverfolgung wegen Untreue ausgesetzt sehen kann. Gleichwohl muss dieser Einwand im Ergebnis unbeachtet bleiben. Die Erkenntnis, dass das Management des Franchisegebers in diesem Bereich gelegentlich Fehler macht, kann es nicht rechtfertigen, auf die effektivste Form der Organisation von Werbung zu verzichten und eines der Erfolgsgeheimnisse der großen Systeme nicht nutzbar zu machen. Mit der gleichen Argumentation könnte man fordern, jede unternehmerische Tätigkeit einzustellen – weil das Management bei der Unternehmensführung Fehler machen könnte. Die Antwort auf die Besorgnis der Zweckentfremdung der Finanzmittel im Werbepool muss lauten, dass das Management des Franchisegebers in dem Bewusstsein geschult werden muss, dass diese Finanzmittel treuhänderisch verwaltet werden. Alternativ kann man auch gleich dazu übergehen, eine selbständige Werbeorganisation zu schaffen, die von den Franchisenehmern gespeist wird; die Gefahr einer Zweckentfremdung ist bei diesem Modell gering. Allerdings ist die selbständige Werbeorganisation, wie man sie z. B. von den Marken „McDonalds“ oder „Vapiano“ kennt, vor allem für große Franchisesysteme mit vielen Systembetrieben geeignet. Spricht das gegen das Modell der selbständigen Werbeorganisation? Diese Frage sollte man nicht voreilig bejahen. Denn möchte nicht jeder Franchisegeber perspektivisch ein großes Franchisesystem aufbauen? Weil sich die Konstruktionen einer selbständigen Werbeorganisation im Nachhinein ohne Einholung der Zustimmung sämtlicher Franchisenehmer nicht etablieren lässt, sollte häufiger von Anfang an zu dem Modell der Werbeorganisation gegriffen werden; man kann ohne weiteres in den Franchiseverträgen vereinbaren, dass dieses Modell erst später aktiviert wird.