Es kommt immer wieder vor, dass ein Franchisenehmer eine „fristlose Kündigung“ erklärt (vgl. dazu die Ausführungen in Wie sich Franchisegeber vor Angriffen auf den Franchisevertrag erfolgreich schützen können). Manchmal geschieht dies durch ein einfaches Schreiben, das der Franchisenehmer selbst verfasst hat. Häufig wird allerdings auch ein Franchisenehmer-Anwalt eingeschaltet, der versucht, das Schreiben in einem möglichst bedrohlichen Stil zu verfassen. In diesem Fall werden zumeist verschiedene Beendigungsmöglichkeiten miteinander kombiniert, d. h. auch ein „Widerruf“ und eine „Anfechtung“ des Franchisevertrages erklärt. In vielen Fällen tritt der Franchisenehmer anschließend als Wettbewerber am Markt auf – denn darum geht es ihm eigentlich.
Der Franchisegeber sollte sich durch die dargestellte Vorgehensweise nicht beeindrucken lassen, sondern zunächst eine einfache Grundentscheidung treffen. Er muss festlegen, ob entweder eine Trennung von dem Franchisenehmer vollzogen oder der Franchisenehmer (jedenfalls vorläufig, ggf. bis zu einer späteren Trennung) im Franchisesystem gehalten werden soll.
Da nur der Franchisegeber selbst seine diesbezüglichen Vorstellungen beurteilen kann, sollte er diese Grundentscheidung vollkommen unabhängig von allen rechtlichen Gegebenheiten treffen. Erst im Anschluss daran kommen die Anwälte ins Spiel, d. h. diese müssen gemeinsam mit dem Franchisegeber die Strategie erarbeiten, wie das von dem Franchisegeber vorgegebene Ziel erreicht werden kann.
Die nachfolgende Übersicht zeigt, welche verschiedenen Weichenstellungen diese Grundentscheidung des Franchisegebers mit sich bringen kann:
I. Die Folgen der Grundentscheidung „Trennung“
Wenn der Franchisegeber sich für eine Trennung von dem Franchisenehmer entschieden hat, muss eine Gegenkündigung erklärt werden. Dabei stellt sich der Franchisegeber auf den Standpunkt, dass die von dem Franchisenehmer ausgesprochene „außerordentliche Kündigung“, der etwaig erklärte Widerruf und eine eventuell vorgetragene Anfechtung unwirksam sind. Das Schreiben mit der Gegenkündigung beginnt also mit einer Zurückweisung der seitens des Franchisenehmers vorgenommenen Beendigungserklärungen.
Die „außerordentliche Kündigung“ des Franchisenehmers stellt (weil sie nicht wirksam war) eine endgültige Weigerung des Franchisenehmers dar, den Franchisevertrag zu erfüllen. Damit liefert der Franchisenehmer dem Franchisegeber folglich seinerseits einen Kündigungsgrund, der den Franchisegeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Die Gegenkündigung hat den Vorteil, dass sich der Franchisegeber auf dem Standpunkt stellen kann, dass er sich von dem Franchisenehmer getrennt hat. Wenn die außerordentliche Kündigung des Franchisegebers tatsächlich wirksam geworden ist (das ist gegeben, wenn die außerordentliche Kündigung seitens des Franchisenehmers und etwaige weitere Beendigungserklärungen unwirksam waren), steht dem Franchisegeber außerdem ein Schadenersatzanspruch zu.
Aufgrund dieser potentiellen Ansprüche des Franchisegebers wird eine Situation erzeugt, die den Franchisenehmer in der Regel von weiteren Angriffen abhält. Häufig kommt es dann niemals zu einer Klärung, wessen Kündigung eigentlich wirksam geworden ist (es sei denn, der Franchisegeber wünscht eine solche Klärung). Außerdem ist damit das von dem Franchisegeber definierte Ziel erreicht: Er hat die sichere Trennung von dem Franchisenehmer vollzogen. Eine der beiden Kündigungen ist in jedem Fall wirksam geworden.
II. Die Folgen der Grundentscheidung „im System halten“
Wenn der Franchisenehmer weiterhin in dem Franchisesystem gehalten werden soll, sind weitere taktische Überlegungen notwendig. Falls in dieser Hinsicht keine Einigung mit dem Franchisenehmer erzielt werden kann, muss letztendlich die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Franchisenehmers und etwaiger sonstiger weiterer Beendigungserklärungen mit gerichtlicher Hilfe geklärt werden. Zwar gilt im Rahmen von Franchising der Grundsatz, dass Rechtsstreite zu vermeiden sind. In diesem Fall ist eine gerichtliche Klärung jedoch erforderlich, wenn der Franchisenehmer auf dem Standpunkt beharrt, dass der Franchisevertrag beendet sei. Für eine gerichtliche Klärung gibt es mehrere Möglichkeiten:
Ein großer Vorteil des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist, dass über die Frage der Unwirksamkeit der Beendigungserklärungen des Franchisenehmers innerhalb weniger Tage oder Wochen eine (wenn auch vorläufige) gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Eine schnelle Klärung ist letztendlich sogar auch im Interesse des Franchisenehmers, der sich andernfalls in einen jahrelangen Rechtsstreit verrennen kann und dadurch häufig unternehmerisch scheitert (mit der Folge, dass es keinen Systembetrieb mehr gibt, der im Falle des Obsiegens wieder in das Franchisesystem eingegliedert werden kann). Wenn es gelingt, die einstweilige Verfügung sogar ohne eine mündliche Verhandlung zu erhalten, führt dies häufig zu einer erheblichen Frustration des Franchisenehmers, der aufgrund falscher Beratung möglicherweise an die Wirksamkeit seiner „Kündigung“ geglaubt hatte. Dies ist dann ein hervorragender Einstieg für Verhandlungen, die in einer Wiedereingliederung des Systembetriebes münden können.
Die vorstehend dargestellten Wege zur Klärung der Unwirksamkeit der „fristlosen Kündigung“ haben Vor- und Nachteile. Es ist leider im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich, die unterschiedlichen Aspekte sowie Vor- und Nachteile abschließend darzustellen. Die Entscheidung, welcher Weg beschritten werden soll, ist nämlich auch davon abhängig, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die „Kündigung“, der „Widerruf“ oder die „Anfechtung“ des Franchisenehmers wirksam geworden sind. Bei einer komplizierten Sachlage (dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Fülle von angeblichen Kündigungsgründen geltend gemacht wird) ist zudem die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Weg der einstweiligen Verfügung erfolgreich beschritten werden kann.